Über Inklusion, Nachhaltigkeit und Kundenorientierung – Kika Buhrmann

Veröffentlicht am: 17 Mai 2024

In „C-Suite“ lässt Top of Minds hochkarätige Führungskräfte aus der Konsumgüterbranche zu Wort kommen. Janko Klaeijsen, Gründungspartner von Top of Minds, destilliert Erkenntnisse aus ihren Erfahrungen, um andere Manager und Führungskräfte in der Konsumgüterindustrie zu inspirieren. In dieser Ausgabe: Kika Buhrmann von Nespresso über Inklusion, Nachhaltigkeit und Kundenorientierung.

 

Der aktuelle Stand bei Nespresso

Nespresso ist ursprünglich ein Schweizer Unternehmen. Es ist Teil von Nestlé und beschäftigt 14.000 Mitarbeiter in 82 Ländern. Das Produktsortiment umfasst sowohl Kaffeekapseln, Kaffeemaschinen als auch Zubehör wie Tassen und Gläser. Nespresso strebt nach höchster Kaffeequalität und positioniert sich als Luxusmarke. Den Kaffee finden Sie nicht im standardisierten Supermarkt, sondern nur in den markeneigenen Boutiquen oder im Webshop. Da es sich bei Kaffee um ein Naturprodukt handelt, spüren die Produzenten die Folgen des Klimawandels unmittelbar. Nachhaltigkeit ist daher ein zentraler Anhaltspunkt bei Nespresso. Vor allem möchte die Marke den Anschein widerlegen, dass sie durch die verpackungsintensive Kapseln nicht nachhaltig agieren und leitet somit aktuell viele soziale Projekte. Tatsächlich arbeitet das Unternehmen mit mehr als 140.000 Landwirten weltweit zusammen, um eine nachhaltige Landwirtschaft auf Kaffeeplantagen und der umliegenden Landschaft zu fördern. Die Kernessenz von Nespresso steht für eine Tasse Kaffee, die ein einzigartiges Erlebnis bieten soll und gleichzeitig einen positiven Einfluss auf Gesellschaft und Umwelt haben kann. Das Ziel der von B-Corp zertifizierten Kaffeemarke ist es, die Wirkung aller ihrer Aktivitäten zu messen und zu verbessern.

Kika Buhrmann

2023-heden: CEO Nespresso Nederland
2020-2023: Vice President Sales USA, Nespresso USA
2018-2020: Vice President B2B USA, Nespresso USA
2015-2018: B2B Global Commercial Excellence Director, Nespresso Global
2013-2015: BE Commercial & Marketing Manager, Nespresso Global
2010-2013: Commercial Director B2C Spain, Nespresso Spain
2010-2013: B2C Channel Support Manager, Nespresso Spain
2007-2008: Sales and Marketing Director, Interlead
2004-2007: Managing Director, LinQ Spain
2002-2003: Market Research, NRC Handelsblad
2002-2003: Business Development, Unilever
1999-2001:Account Manager, LinQ Netherlands

Kika Buhrmann ist seit fünfzehn Jahren am Wachstum und der Entwicklung von Nespresso beteiligt. Ihre Reise begann in Spanien als B2C-Channel-Managerin. Seitdem war sie in verschiedenen Märkten tätig, von der Schweiz bis nach Amerika, wo sie als Vice President B2B & B2C Sales fungierte. Kürzlich ist sie mit ihrer Familie nach Amsterdam zurückgekehrt, um als CEO Niederlande das lokale Geschäft zu leiten. „Kaffee ist ein wichtiger Teil der niederländischen Kultur. Nespresso Niederlande legt Wert darauf, seinen Kunden einzigartige Kaffeeerlebnisse zu bieten. Durch nachhaltiges Wirtschaften bemühen wir uns ständig, Wege zu finden, um einen positiven Einfluss auf die lokalen Kaffeegemeinschaften zu haben.“

War die Neugier, sich selbst und die Welt zu entdecken, schon immer in Ihnen?
„Das hat zum Teil mit meinem familiären Hintergrund zu tun. Ich wurde in Brasilien geboren und verbrachte dort die ersten zehn Jahre meines Lebens. Dadurch entwickelte sich mein Interesse an anderen Kulturen. Bereits während meiner Studienzeit ging ich ins Ausland, um andere Perspektiven zu erkunden. Ich habe in Spanien, der Schweiz und den Vereinigten Staaten gearbeitet, bevor ich jetzt in den Niederlanden gelandet bin. Vor allem meine Erfahrungen in Amerika haben mir klar gemacht, dass ich zuvor noch zu sehr an der Oberfläche operiert habe. Kulturen und Gesellschaften haben viel tiefere Schichten, als mir bewusst war. Das hat mein Verständnis und meine Wertschätzung für die Vielfalt enorm vertieft.“

Warum ist das Ihrer Meinung nach wichtig?
„Zunächst einmal lege ich Wert auf meine eigene Entwicklung. Ich halte es für wichtig, mein Berufsleben über meine Position bei Nespresso hinaus auszudehnen und möchte von anderen Denkweisen und Geschäftskulturen lernen können. Während meiner Zeit in den USA hatte ich zum Beispiel neben meiner Arbeit bei Nespresso zwei zusätzliche Vorstandsposten inne.“

Was waren das für Funktionen?
„Als ich in New York lebte, fiel mir auf, wie viele Obdachlose auf der Straße lebten und wie ernst die Situation war, insbesondere seit der Pandemie. Das hat mich tief berührt. Noch schockierender war für mich, dass die Passanten diesen Menschen oft keinen Blick schenkten.

Wir leben in einer Gesellschaft, in der wir uns manchmal buchstäblich nicht sehen. Das hat mich motiviert, aktiv zu werden. Ich begann, ehrenamtlich in Obdachlosenheimen in New York zu arbeiten, und stellte fest, dass hinter jedem Obdachlosen eine einzigartige Geschichte stand. Daraufhin begann ich, die Menschen auf der Straße anzusprechen und ihnen, wann immer möglich, Hilfe anzubieten. Allein die Tatsache, dass es jemanden gibt, ist manchmal von unschätzbarem Wert.

Später kam ich mit Leuten in Kontakt, die an innovativen Projekten wie dem Dutch Sheltersuit arbeiteten und half ihnen beim Aufbau von Aktivitäten in Amerika. In Amerika gibt es viele Innovationen, und durch andere Interessen kam ich somit mit einem Start-up-Unternehmen in Kontakt, das sich auf vertikale Landwirtschaft spezialisiert hatte. Das war eine völlig andere Realität und Unternehmenskultur. All diese Erfahrungen haben mich als Person bereichert und dazu geführt, dass ich verschiedene Unternehmenskulturen besser verstehe und meine eigenen Teams effektiver führen kann.“

Warum haben Sie sich überhaupt für Konsumgüter entschieden?
„Ich habe 2008 in Spanien gelebt und erinnere mich noch daran, wie Nespresso den gesamten Kaffeemarkt auf den Kopf gestellt hat. Ich fand es toll, wie sie es geschafft haben, ein neues Bedürfnis bei den Konsumenten zu schaffen. Ich wollte Teil dieser Branche sein, weil ich glaube, dass es sich um einen Sektor handelt, in dem man wirklich zum täglichen Leben der Menschen beitragen kann. Andererseits hat mich der innovative Aspekt sehr gereizt. Es liegt wirklich in der DNA von Nespresso, kontinuierlich Innovationen hervorzubringen.“

Wie würden Sie sich selbst als Profi beschreiben?
„Ich hatte schon immer ein breites Interesse an verschiedenen Bereichen. Ich sehe mich selbst nicht als Spezialist, was mich in gewisser Weise zu einem untypischen Profil für Unternehmen macht. Dort verläuft die Karriere oft linearer. Man fängst meist auf der Junior-Ebene an und steigt dann in Führungspositionen auf. Mein Weg begann mit dem Aufbau eines Unternehmens in Spanien für eine niederländische Headhunting-Organisation. Ich wurde sofort Geschäftsführerin. Das bedeutete, dass ich schon früh in meiner Karriere einen eher generalistischen Weg einschlug. Von dort aus habe ich mich weiterentwickelt. Ich habe mich auf kommerzielle Aspekte konzentriert, mich mit Branding, internen Prozessen und Nachhaltigkeitsinitiativen befasst. Aber ich habe mich auch mit Finanzen und Prozessmanagement beschäftigt. So konnte ich wertvolle Kombinationen von Fachwissen entwickeln. Danach begann ich bei einem Unternehmen zur Lead-Generierung zu arbeiten, wo ich Vertrieb und Marketing für Europa aufbauen durfte und ein Team von 24 Personen leitete.“

Wie nutzen Sie Ihre Erfahrung in Ihrer neuen Rolle?
„Als CEO habe ich täglich mit einer breiten Palette von Themen zu tun. Manche sind vertraut, andere völlig neu. Was mich an dieser Position so fasziniert, ist die ständige Vielfalt und Dynamik. Ich arbeite nicht nur mit verschiedenen Abteilungen zusammen, sondern auch mit unterschiedlichen Kulturen und Ländern. Das erfordert von mir eine ausgeprägte Lernfähigkeit, damit ich mich schnell in einen Sachverhalt einarbeiten kann. Außerdem muss ich gut mit Spezialisten zusammenarbeiten können. Schon allein deshalb, weil es immer jemanden gibt, der in einem bestimmten Bereich mehr Fachwissen hat als ich. Als Generalist liegt meine Stärke darin, dass ich schnell zum Kern eines Themas vordringen und die richtigen Verbindungen herstellen kann. Darin liegt mein Mehrwert.“

Wo liegt ihr Schwerpunkt?
„Heutzutage geht es zunehmend darum, den Kunden zu positionieren und seine Bedürfnisse in den Vordergrund zu stellen. Auf dieser Grundlage bauen wir unsere Marke auf, um unseren Kunden ein maximales Erlebnis zu bieten. Unternehmen, die sich an traditionelle Funktionen wie Marketing und Vertrieb halten, können irgendwann in dem Prozess stecken bleiben, wirklich „kundenorientiert“ zu agieren. Ich betone, wie wichtig dieser Ansatz ist und wie wir ihn umsetzen können. Ein großer Vorteil für uns ist, dass wir auch im E-Commerce tätig sind. Das macht uns unabhängiger von den traditionellen Supermarktkanälen und ermöglicht es uns, selbst tiefe Einblicke in das Verhalten und die Vorlieben unserer Kunden zu gewinnen, etwa welche Geschmacksrichtungen sie bevorzugen und was ihnen wichtig ist.“

Was hat sich in den letzten Jahren verändert?
„Seit ich vor fünfzehn Jahren bei Nespresso angefangen habe, hat sich die Dynamik zwischen Marken und Verbrauchern enorm verändert. In der Vergangenheit konnten Marken sagen: „Das sind wir“ und diese Botschaft an den Markt senden. Jetzt liegt die Macht vollständig beim Verbraucher. Verbraucher wollen überzeugt werden. Sie möchten wissen, wer Sie als Marke sind und warum sie sich für Sie entscheiden sollten. Sie wollen verstehen, warum sie ihr Geld für Sie ausgeben sollten. Eine ziemliche Herausforderung, denn heutzutage gibt es eine Fülle von Auswahlmöglichkeiten, und Verbraucher haben einfachen Zugang zu Informationen. Durch diese Änderungen wurde der Schwerpunkt stärker auf Transparenz und Relevanz gelegt. Marken müssen transparent darüber sein, wer sie sind und was sie anbieten, und sie müssen in der Lage sein, den Verbrauchern diese Botschaft auf sinnvolle Weise zu vermitteln. Aber sie müssen ihre Werte auch intrinsisch in ihre Prozesse einbinden. Wenn nicht, werden die Verbraucher ihnen nicht glauben. Ich halte dies für eine sehr positive Entwicklung, weil sie die Innovation vorantreibt und die Unternehmen zu besseren Leistungen anspornt, insbesondere im Bereich der Nachhaltigkeit.“

“Verbraucher wollen überzeugt werden und verstehen, warum sie ihr Geld für Sie ausgeben sollten”

Welche Rolle spielt Nachhaltigkeit bei Nespresso?
Einer der Hauptgründe, warum ich seit fünfzehn Jahren bei Nespresso arbeite, ist, dass Nachhaltigkeit in der DNA des Unternehmens verankert ist. Dies begann 1993 mit der Einführung der ersten Recyclingprogramme in den Ländern, in denen wir tätig sind. Vor mehr als zwanzig Jahren haben wir außerdem eigene Programme gestartet, um die Lebensbedingungen der Kaffeebauern zu verbessern und eine nachhaltige Landwirtschaft zu fördern. Mittlerweile haben wir ein Netzwerk von fünfhundert Mitarbeitern aufgebaut, die Kaffeebauern in 18 verschiedenen Ländern Schulungen geben, Werkzeuge anbieten und den Austausch neuer Methoden ermöglichen. Wir arbeiten eng mit Kaffeebauern zusammen, um zu bewerten, wie sie ihre Farmen optimieren können, welche Best Practices sie umsetzen können und welche Auswirkungen sie auf ihre Gemeinden haben. Auf diese Weise wollen wir die Qualität, Produktivität und Nachhaltigkeit ihrer landwirtschaftlichen Praktiken verbessern. Und wenn man bedenkt, dass wir mit nicht weniger als 148.000 Landwirten zusammenarbeiten, versteht man, dass wir enorme positive Veränderungen bewirken können.“

“Marken müssen transparent darüber sein, wer sie sind und was sie anbieten, und dies den Verbrauchern auf sinnvolle Weise kommuniziere.”

Handelt es sich dabei um reinen Altruismus oder sind da noch andere Interessen im Spiel?
„Wir legen großen Wert auf die Erhaltung einer bestimmten Kaffeequalität, um die Zukunft des Kaffees zu sichern. Mit der globalen Erwärmung rückt die Grenze, bis zu der Kaffee wachsen kann, immer näher. Den es geht immer mehr Land verloren, und wir laufen Gefahr, dass wir bald nicht mehr genügend geeignete Flächen für den Kaffeeanbau zur Verfügung steht. Deshalb ist es so wichtig, dass wir mit den Landwirten zusammenarbeiten und verstehen, wie wir langfristig einen maximalen Ertrag aus dem Land holen können. Wir müssen aber auch verstehen, warum die Bauern manchmal kurzfristige Entscheidungen treffen z.B. wenn ihre Ernte durch einen Sturm zerstört wurde oder sie kein Einkommen haben. Es geht darum, Partnerschaften aufzubauen und Lösungen anzubieten, wie ihnen eine Versicherung zuzugestehen, damit sich die Landwirte unterstützt fühlen. Ich denke auch es wichtig ist zu betonen, dass es keine Einschränkungen für Frauen gibt, was ihre berufliche Laufbahn betrifft. Frauen haben genauso viele Möglichkeiten und Rechte wie Männer. Es ist wichtig, dieses Bewusstsein an die nächste Generation weiterzugeben.“

Wo gibt es noch Raum für Entwicklung?
„Wir prüfen jetzt, wie wir den Verbrauchern die Komplexität unseres Nachhaltigkeitsprogramms einfach vermitteln können. Nachhaltigkeit umfasst eine Vielzahl von Elementen. Wie können wir den Verbrauchern einfach erklären, was wir tun und warum es wichtig ist?“

Welche weiteren Trends sehen Sie bei Konsumgütern?
„Man sieht, dass Marken mehr und mehr auf die soziale Wirkung achten, wofür man als Marke steht, wenn es um soziale Fragen geht und welche Entscheidungen man in dieser Hinsicht zu treffen wagt. In den letzten Jahren hat sich in der Welt viel verändert. Die Unternehmen nehmen jetzt eine aktivere Stellung ein und äußern sich zu sozialen Themen. Dies verschafft bestimmten Gemeinschaften und Themen, die in der Vergangenheit weniger Aufmerksamkeit erhielten, mehr Sichtbarkeit. Hier geht der Zweck und die Wirkung von Unternehmen über ihr Kerngeschäft hinaus.“

Und was noch?
„Die Digitalisierung entwickelt sich in rasantem Tempo und wird zukünftig einen enormen Einfluss auf Unternehmen haben. Nespresso und Nestlé haben bereits bedeutende Schritte in diesem Bereich unternommen. Zum Beispiel haben wir unsere eigene Chat-Plattform in unsere Geschäftsabläufe integriert, sodass unsere Mitarbeiter Zugang zu einem persönlichen Chat-Assistenten haben, an den sie alle ihre Fragen richten können.“

Wie soll das gehen?
‘Früher verbrachten wir viel Zeit damit, Informationen zu suchen und zu sammeln. Jetzt können wir dem Chat-Assistenten Fragen stellen und uns direkt darauf konzentrieren, diese Informationen effektiv zu nutzen und sie auf unsere Geschäftsziele zu übertragen.“

Wird die KI die Arbeit vollständig übernehmen?
„Natürlich wird KI bestimmte Funktionen übernehmen, etwa die Unterstützung bei der Arbeit in Call-Centern oder bei Transaktionsaktivitäten. Aber Fachleute, die verstehen, wie sie KI als Bereicherung für ihre tägliche Arbeit nutzen können, werden einen großen Vorteil gegenüber anderen haben. Sie werden dies an der Art und Weise merken, wie sich Menschen entwickeln und welche Wirkung sie haben. Deshalb möchte ich sicherstellen, dass jeder bei Nespresso von Anfang an Zugriff auf die KI-Benutzeroberfläche hat. Da diese so benutzerfreundlich ist, bietet sie viele Vorteile.“

Gibt es noch andere Themen, die die Zukunft der Branche und von Nespresso im Besonderen betreffen?
„Ich habe die letzten fünf Jahre in Amerika verbracht. Das war eine Zeit, in der sich die Kluft zwischen den Wohlhabenden und den weniger Wohlhabenden vergrößert hat, wobei Corona als beschleunigender Faktor wirkte. Amerikas schwache soziale Sicherheitsnetze führten schnell dazu, dass viele Menschen in finanzielle Probleme gerieten. Dann kam der schreckliche Mord an George Floyd, der für die schwarze Gemeinschaft zum Katalysator wurde, sich gegen jahrelange Unterdrückung und systematische Diskriminierung zu wehren. Die Black-Lives-Matter-Bewegung erhielt daraufhin enormen Auftrieb. Dies hatte auch große Auswirkungen auf unsere eigenen Mitarbeiter. Sie begannen, ihre Geschichten zu erzählen und über die Herausforderungen und Hindernisse zu sprechen, denen sie täglich gegenüberstehen.

In diesem Zusammenhang begannen wir bei Nespresso, daran zu arbeiten, mehr Sichtbarkeit zu schaffen und unseren eigenen Gemeinschaften die Möglichkeit zu geben, sich zu vernetzen, voneinander zu lernen und zu wachsen. Aus diesem Grund haben wir 10 Employee Resource Groups (ERGs) gegründet, die verschiedene Gemeinschaften ansprechen, darunter die Black@Nespresso-Gruppe und die Latin@Nespresso-Gruppe. Jede Gruppe hat einen Sponsor aus dem Nespresso-Vorstand, der sie aktiv unterstützt. Ich wurde gebeten, Sponsor der Black@Nespresso-Gruppe zu werden. Das war ein wichtiger Moment für mich als weiße Europäerin, denn diese Gruppe widmet

sich der schwarzen amerikanischen Gemeinschaft. Ich beteiligte mich aktiv an Diskussionen und erkannte schnell, dass unbewusste Vorurteile dazu führten, Verhaltensweisen zu zeigen, die als Mikroaggressionen angesehen werden könnten. Wir begannen ernsthaft daran zu arbeiten, das Bewusstsein und die Anerkennung dieser Unwissenheit zu stärken. Das war ein erster, wichtiger Schritt, um Brücken zu bauen und Menschen zusammenzubringen. Auf diese Weise wurde ich immer stärker in die Gemeinschaft und in Themen wie Unternehmensrichtlinien, Markenpositionierung und verschiedene Kampagnen eingebunden. Dazu gehört auch, dass ich mir anschaue, wofür unsere Marke steht und welche Bedeutung sie für die Gemeinschaft hat, welche ich zugleich auch vertrete.

Dies war mir vorher nicht bewusst. Der nächste Schritt besteht darin, sich daran zu gewöhnen, auch unbequeme Gespräche zu führen, da es um die Identität der Menschen geht. Aber es liefert auch viele Erkenntnisse, die man an den Arbeitsplatz, in die Marke und in die Organisation mitnehmen kann. Durch die Entwicklung eines größeren Bewusstseins für Vielfalt arbeitet man in Richtung einer integrativeren und gerechteren Gesellschaft hin.“

Und wie sieht es in den Niederlanden aus?
„In den Niederlanden arbeite ich in einem völlig anderen Kontext. Aber auch hier ist es wichtig, diese Denkweise auf die Organisation zu übertragen, um zu beurteilen, wie inklusiv wir tatsächlich sind. Natürlich ist jeder herzlich willkommen bei uns mitzuarbeiten, aber es kommt nicht nur auf die Worte an, die wir sagen. Es geht darum, ob wir tatsächlich unsere gesamte Geschäftstätigkeit auf Inklusion ausrichten. Können sehbehinderte Menschen unsere Einrichtungen leicht erreichen? Ist unsere Website für sehbehinderte Menschen leicht zu navigieren? Wie reibungslos ist die Interaktion mit unserer Organisation für alle? Auch in den Niederlanden können wir noch große Schritte unternehmen, um unsere Organisation integrativer bzw. inklusiver zu gestalten. Dafür setze ich mich voll und ganz ein.“

Hat eine gute Diversitätspolitik auch geschäftliche Vorteile?
„Es geht in erster Linie darum, die Vielfalt innerhalb der eigenen Organisation zu fördern und Plattformen zu schaffen, um dies zum Ausdruck zu bringen. Dies schafft Raum für unterschiedliche Perspektiven. Außerdem wird das Zugehörigkeitsgefühl der Mitarbeiter deutlich gestärkt, wenn sie sehen, dass sich das Unternehmen aktiv für Vielfalt einsetzt. Heutzutage suchen viele Menschen nach Positionen in Unternehmen, die etwas bewirken und einen Unterschied machen, sowohl in Bezug auf Nachhaltigkeit als auch in sozialer Hinsicht. Fragen Sie sich also, welche soziale Rolle Ihre Organisation spielt. Tragen Sie zur Gemeinschaft bei, sowohl intern aus Talent- und Arbeitgeberperspektive als auch extern? In den Niederlanden sehe ich viele weitere Möglichkeiten, die Art und Weise wie wir kommunizieren und Talente anziehen, integrativer zu gestalten. Dies bietet nicht nur Chancen aus einer Top-Down-Perspektive, sondern wirkt sich auch positiv auf das Endergebnis aus. Wenn man sich jetzt nicht aktiv für Inklusion einsetzt, läuft man als Organisation Gefahr, in fünf bis acht Jahren bei der Gewinnung von Talenten und auch in den Augen der Verbraucher weniger relevant zu sein.“

“„Eine 70-Stunden-Woche ist für mich als CEO nicht die Regel”

Wie stellen Sie sicher, dass Sie stets aktuell und auf dem Laufenden bleiben und ausreichend reflektieren?
„In all meinen Positionen habe ich aktiv nach Personen gesucht, die in bestimmten Bereichen über mehr Fachwissen verfügen als ich. Menschen, die mich in meinem Denken herausfordern können. Ich versuche, dies auch in meinen eigenen Teams zu kultivieren, aber ich kann nicht immer alle relevanten Gespräche mit den Teammitgliedern führen. Deshalb suche ich immer nach einem Mentor oder einer Peer-to-Peer-Beziehung. Das funktioniert für mich sehr gut. In emotional intensiven Zeiten, wie in meiner Zeit in den USA, ist es wichtig, Erfahrungen zu Hause austauschen zu können. Ich habe auch zwei Freunde in Führungspositionen, die vor ähnlichen Herausforderungen stehen. Ein solches Netzwerk gleichgesinnter Fachleute um mich herum ist äußerst wertvoll. Mein Unterstützungssystem ändert sich also im Laufe meiner Karriere.“

Was können Sie künftigen CEOs sonst noch raten?
„Eine 70-Stunden-Woche ist nicht die Norm. Es geht vielmehr um die Intensität Ihrer Arbeitszeit. Achten Sie darauf, was Ihnen Energie gibt und was Ihnen Energie raubt. Man sagt oft, dass man weniger arbeiten sollte, aber das ist nicht immer der Fall. Wenn Ihre Energie nachlässt, sollten Sie aktiv nach Möglichkeiten suchen, sich wieder aufzuladen. Vielmehr geht es darum, die richtigen Dinge zu tun.“

Woran arbeiten Sie derzeit, was Sie antreibt?
„In den Niederlanden beschäftige ich mich derzeit mit dem Thema Abfallwirtschaft. Unser Ziel ist es, zusammen mit anderen Anbietern von Kaffeekapseln das Recycling für jeden in den Niederlanden zugänglich zu machen, insbesondere für die Kaffeeindustrie. Wir möchten sicherstellen, dass jeder, der Kaffeekapseln verwendet, einfachen Zugang zu einer Recyclinglösung hat, um sicherzustellen, dass sie effizient recycelt werden können. Obwohl wir bereits über ein eigenes System verfügen, führen wir derzeit Gespräche mit der Industrie, Abfallverarbeitern und Kommunen, um zu einer nationalen Lösung zu gelangen. Ich bekomme viel Energie aus dieser Herausforderung und der Möglichkeit, zu positiven Veränderungen beizutragen.“

Kurzfristig wird man dort nicht mehr Kapseln verkaufen können.
„Wenn wir die langfristigen Auswirkungen betrachten, glaube ich fest an die Verantwortung, die Unternehmen übernehmen müssen, besonders wenn sie Marktführer sein wollen. Abgesehen von dieser Verantwortung denke ich auch, dass je einfacher wir es den Verbrauchern machen, nachhaltige Entscheidungen zu treffen, desto eher werden sie dazu neigen sich für unsere Lösungen zu entscheiden.“

Was empfehlen Sie Ihren Kindern bei der Studien- oder Berufswahl?
„Dass sie ihren eigenen Weg wählen müssen. Menschen treffen ihre Wahl oft auf der Grundlage der Erwartungen anderer. Mein Rat ist, nah bei sich selbst zu bleiben. Manchmal werden sie feststellen, dass eine Wahl nicht die richtige war, aber sie lernen daraus. Wenn du nämlich den Weg eines anderen folgst, wirst du letztendlich wenig Befriedigung daraus ziehen, weil es nicht wirklich zu dir passt.“

„Und vor allem: Streben Sie nach Fortschritt statt nach Perfektion. Manchmal ist gut genug und man kann sich im Laufe der Zeit verbessern. Wenn etwas nicht perfekt ist, bietet das eine Gelegenheit zu wachsen und zu lernen.“

 

Drei Tipps von Kika Buhrmann bei Nespresso

1. Stellen Sie sicher, dass Sie verstehen, wie die Linien und Prozesse in einer Organisation ablaufen und worauf es wirklich ankommt.

2. Treffen Sie Ihre Entscheidungen auf der Grundlage intrinsischer Motivation.

3. Konzentrieren Sie sich auf Fortschritt und nicht auf Perfektion.